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Historische Streiflichter

Mitglieder des Museumsvereins blättern in historischen Tageszeitungen, um wichtige, spannende, amüsante, prägende oder belanglose Mitteilungen aufleben zu lassen.

Die abgedruckten Zeitungsartikel werden wörtlich übernommen. Die Schreibweise, gemäß den damaligen geltenden Rechtschreibungsregeln, lässt daher manchmal ein Schmunzeln über das Gesicht der geschichteinteressierten Leserinnen und Leser gleiten.

"Durchbruchs-Stimmung" in Neubrandenburg vor 130 Jahren

Der zunehmenden Bebauung außerhalb der Stadtmauer ab Mitte des 19. Jahrhunderts war es geschuldet, dass es mehr und mehr Bestrebungen gab, Mauerdurchgänge zu schaffen, die die Zuwegung in die Innenstadt erleichtern sollten. Nachdem bereits die Stadtmauer zum neu gebauten Bahnhofsgelände geöffnet wurde, erfolgten wenig später Mauerdurchbrüche am Treptower und am Stargarder Tor. Es gab um die Jahrhundertwende eine Reihe weiterer Durchbruchspläne, die an die Stadtvertreter herangetragen wurden. In den Sitzungen der Repräsentanten der Stadt wurde das Thema immer wieder rege diskutiert.
In der Repräsentantensitzung Ende 1894 wurde dieser Tagesordnungspunkt mit folgendem Entschluss verschoben.

In der Neubrandenburger Zeitung/Allgemeiner Mecklenburgischer Anzeiger vom 18.11.1894 heißt es dazu:

„Von den mehrfach angeregten Durchbrüchen durch die Stadtmauer sind zuvörderst in Aussichtgenommen: ein Mauerdurchbruch beim Neuen Thor, desgleichen in der Thurmstraße und
endlich in der Behmenstraße. Vor Beschlußfassung hierüber und vor Genehmigung der hierdurch entstehenden anschlagsmäßigen Kosten halten Repräsentanten eine Besichtigung an Ort und Stelle für nothwendig, und wird daher die Vorlage bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt.“

Der Durchbruch am Neuen Tor war bereits beschlossene Sache, bevor in der Repräsentantensitzung im März 1895 weitere für notwendig erachtete Mauerdurchbrüche auf der Tagesordnung standen.

In der Neubrandenburger Zeitung/ Allgemeiner Mecklenburgischer Anzeiger vom 10.03.1895 konnte man nun lesen:

„Nachdem jüngst über den mit Rücksicht auf die Volksschule herzustellenden Durchbruch beim Neuen Thor Beschluß gefaßt worden ist, wird vom Wohll. Magistrat vorgeschlagen, nunmehr auch noch einem Durchbruch am Ende der "Durchbruchs-Stimmung" in Neubrandenburg vor 130 Jahren Thurmstraße, welcher für den demnächstigen Verkehr der Schüler nach
und von der Volksschule ebenfalls erforderlich erscheine, zuzustimmen, und zwar nach Maßgabe der vorgelegten Zeichnung und des eingereichten Kostenanschlages, dessen Höhe sich auf 700 Mk. beläuft, wovon indessen von den Anwohnern der Thurmstraße bereits 300 Mk. aufgebracht sind.

Repräsentanten erklären sich mit der Herstellung des proponirten Durchbruchs am Ende der Thurmstraße und eines Weges von dort auf den Wall einverstanden, beantragen aber, daß die erforderlichen Arbeiten in Submission vergeben werden. Wegen der noch zu beschaffenden Canalisation behalten sie sich weitere Beschlußfassung vor.

Anlangend die Seitens der Repräsentanten bereits früher in Anregung gebrachten Mauer=Durchbrüche, so wird vom Wohllöbl. Magistrat mitgetheilt, daß der Durchbruch am Ende der Badstüberstraße abgelehnt werde, daß aber wegen des Durchbruchs am Ende der Pfaffenstraße, welcher mit Rücksicht auf das Dr. Mercker´sche Institut wünschenswerth erscheine, weitere Vorlagen gemacht werden sollten. Ueber eine wegen des Friedländer Thores gemachte Vorlage wollen Repräsentanten in nächster Sitzung beschließen.“
Der Durchbruch in der Turmstraße (zu dem Zeitpunkt stand am Ende noch der Turm, der der Straße ihren Namen gab) hatte jedoch nicht nur Befürworter und die Bedenken waren nicht von der Hand zu weisen.

In der Neubrandenburger Zeitung am 09.10.1895 wurde eine Zuschrift eines Zeitgenossen abgedruckt, in der es hieß:

„Unsere Stadt hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, namentlich ist auch Fleiß darauf verwandt worden, den Verkehrsverhältnissen durch verschiedene Verbesserungen Rechnung zu tragen. Zu letzteren sind auch die mehrfach geschaffenen Mauerdurchbrüche zu zählen. Der Durchbruch in der Thurmstraße entspricht jedoch nicht den gehegten Erwartungen. Macht schon der Zusammenfluß mehrerer offenen, zeitweilig üble Gerüche verbreitenden Rinnsteine die Benutzung des Durchganges fragwürdig, so läßt die Beschaffenheit des breiten Abflusses außerhalb der Stadtmauer erst recht viel zu wünschen übrig. Wir sind der Meinung, daß an dieser Stelle schon mit äußerst geringen Mitteln viel erreicht werden könnte, wenn der Abfluß zu beiden Seiten des Uebergangs verdeckt würde.“

einige Mauer-Daten:

  • 1863 - Maueröffnung zum Bahnanschluss
  • 1874 - Mauerdurchbruch am Treptower Tor
  • 1894 - Mauerdurchbruch beim Friedländer Tor
  • 1899 - eine große Mauerlücke am Ende der Turmstraße ist durch den Einsturz des dortigen Fangelturmes entstanden
  • 1901 - Mauerdurchbruch an der Großen Wollweberstraße
  • 1904 - Mauerdurchbruch am Ende der Darrenstraße neben dem Fangelturm